Das Märchen vom Seifenspender in allen Schulen

Es war einmal ein Seifenspender… Ja genau, der kluge Leser ahnt es schon, wir befinden uns innerhalb der Corona-Krise und jedes Märchen braucht einen Anfang und einen Helden. Nun also der Seifenspender. Beziehungsweise ein Artikel, dass nun in Schulen vermehrt Seifenspender eingebaut werden aufgrund der Corona-Krise. Was war denn da vorher frage ich mich? Wie haben sich die Kinder denn vorher die Hände gewaschen? In meiner Praxis bekomme ich oft Anfragen von Eltern, dass ich ihren Kindern eine Diagnose für eine Toilettenphobie geben soll, da sie in der Schule nicht auf die Toilette gehen wollen. Nun ja, so ist das halt mit den Diagnosen in unserem Gesundheitssystem- je kränker ich bin, desto mehr Geld bekommt der Arzt, um mich behandeln zu können. Ich müsste also dem Kind nun mehrere Diagnosen geben, um die bestmöglich unterstützen zu können- Spezifische Phobie, Zwangsstörung (Ekel, Angst vor Verunreinigung), vielleicht auch noch aggressives Verhalten (gereizt wäre ich auch, wenn ich auf die Toilette müsste, aber nicht könnte). Dann eine angemessene Therapie, damit das Kind sich wieder traut und alles ist gut. Endlich kann es wieder auf die Schultoilette, an deren Zustand sich aber nichts geändert hat. Das Kind kann jetzt nur auf jede erdenklich eklige Toilette gehen, immerhin. Und so geht es mir seit einiger Zeit in meiner Praxis: ich habe viele Anfragen, eine sehr lange Warteliste. Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, da sie wirklich schlimme Sachen erlebt haben. Und auch das Kind mit der Toilettenphobie braucht Unterstützung, keine Frage. Aber die Familien, die sich in meiner Praxis melden, sind so etwas wie die Spitze des Eisbergs für etwas was in unserer Gesellschaft schief läuft. Die Kinder und Jugendlichen sind die Symptomträger für eine fehlgeleitete Gesellschaft, die global viele falsche Schwerpunkte setzte, wie man sein Leben zu führen hat. Nicht das Kind hat das Problem, sondern die Toiletten in der Schule. Der Staat, der kein Geld für neue Sanitäranlagen bereitstellt. Und es gibt ja noch weitaus schwerwiegendere Probleme!

Ein Seifenspender ist ein erster Schritt. Auch wenn es dafür leider anscheinend eine Pandemie brauchte. Aber es ist ein Anfang. Und wie in jedem Märchen, kann der Held, der Seifenspender andern ein Vorbild sein und es gibt ein gutes Ende. Außer das Märchen ist von Hans-Christian Andersen, aber das ist eine andere Geschichte. Hoffentlich!

Die Krise ist in vollem Gange. Klar, dass will jetzt niemand hören. Immer diese Hysterie. Freud hätte seine wahre Freude daran. Was er hier wohl empfohlen hätte: Pendeln oder ein Besuch im Sanatorium, um mal wieder auf andere Gedanken zu kommen? Damit man wieder funktioniert. Man muss ja schließlich funktionieren, um arbeiten zu gehen (bis 68, aber in Teilzeit weiter bis man stirbt, weil sonst die Rente nicht reicht nach 35 Jahren harter Arbeit-selber schuld, wenn man nicht vorgesorgt hat und rechtzeitig sein Aktienpaket gekauft hat).  Um bestmöglich arbeiten zu gehen, soll man sich bestmöglich optimieren, mit dem Fitnessarmband, mit komischen Fitness-Tees, mit der effizientesten Entspannungs-Methode (ja, entspannen ist harte Arbeit, da kann man vieles falsch machen und deswegen kostet eine Stunde Waldbaden auch 39 Euro) und das schlafen gehen sollte man auch am besten abtrainieren. Warum? Arbeit, Kinder, Haushalt, Freunde, Freizeit, Hobby, Entspannung und noch die Einhorn-Torte für den Kuchenbasar backen. Da stört der Schlaf nur. Ach ne, der ist ja auch wichtig.

Wir wollen den Kindern eine bessere Welt hinterlassen. Dafür machen wir das. Aber die Kinder gehen auf die Straße und fordern: bitte hinterlasst uns nicht so eine Welt. Finde den Fehler. Wir haben mehr freie Zeit als jemals zuvor, sind aber gestresst und finden, wir haben viel zu wenig Zeit.  Ich merke das im Kleinen bei den Kleinen, aber wenn man sich so umsieht in unserer Gesellschaft und auf dieser Welt, so findet man doch einige Ungereimtheiten, die irgendwie nicht hineinpassen wollen in. Eine Welt, in der niemand hungern muss, in der Wohlstand herrscht und es niemandem an etwas mangelt. In der sich niemand abgehängt fühlt. Eine Welt, in der alle die gleichen Chancen haben, in der der sich um alles kümmert wird.

Menschen sollten nicht besser funktionieren müssen, damit unsere Gesellschaft besser funktioniert. Die Gesellschaft sollte sich verändern, damit sie besser für die Menschen funktioniert.

Sonst ist die Gefahr da, dass wie zu einer Generation von Narzissten werden, die bestoptimiert nach ihrem eigenen Vorteil suchen und nicht mehr nach dem eigentlichen Glück im Leben.

Ein Seifenspender kann ein Anfang ein.

Marion Wolff